Plattformen & Dienste
Technische Architekturen für Medienplattformen
Große US-amerikanische Plattformen für Content und Social Media stehen unter anderem wegen ihres Umgangs mit Nutzerdaten in der Kritik. Das IRT arbeitet an technischen Architekturen für eine alternative europäische Medienplattform. Diese setzt statt auf Rendite auf Pluralität und den Nutzen für das Gemeinwohl.
Im Bereich Content und Social Media überwiegen am Markt von Playern aus den USA dominierte, große Plattformen. Diese werden in der medienpolitischen Diskussion zunehmend kritisiert: Auf Widerspruch stoßen vor allem die Steuerung des Nutzerverhaltens, der Umgang mit Nutzerdaten und die Auflagen gegenüber Dienste-Anbietern. Auch in der ARD fordern prominente Stimmen Alternativplattformen.
„Wir brauchen eine Plattform aller Qualitätsanbieter. (…) Wir brauchen eine gemeinsame Plattform auf nationaler oder sogar auf europäischer Ebene“, sagt der Intendant des Bayerischen Rundfunks (BR) Ulrich Wilhelm. Der Intendant des Saarländischen Rundfunks, Professor Thomas Kleist, fordert den Aufbau einer eigenen europäischen digitalen Plattform – in Ergänzung zu den internationalen Plattformbetreibern.
Transparenz und Offenheit
Das IRT hat sich mit technischen Architekturen befasst, die geeignet sind, diese Forderungen zu stützen. Anders als bisher bei großen Plattformen üblich, wurde dabei Wert darauf gelegt, technische Komponenten zu dezentralisieren und die Nutzung von Standards zu priorisieren.
Vorrangig wurde ein Plattformmodell mit einer zentralen Betreiberinstanz untersucht. Diese Instanz bündelt die Metadaten von Angeboten verschiedener Anbieter und bietet selbst „Produkte“ in der Form von Webseiten oder Apps zur Nutzung der Inhalte an. Gemeinsame, transparent vereinbarte Regeln innerhalb des Plattformbetriebs garantieren die Offenheit der Plattform für Angebote und Nutzungsmodelle.
Effizientes Angebot
Um das Modell umzusetzen, eignet sich eine Organisationsform, die die Mitsprache verschiedener Marktpartner und Nutzer ermöglicht. Sie sollte sich nicht der Rendite verpflichten, sondern der Pluralität und dem Nutzen für das Gemeinwohl. Dafür bietet sich eine Architektur an, die so weit wie möglich schon bestehende Infrastrukturkomponenten der einzelnen Inhalte-Anbieter verwendet. Deren Angebote können damit auch weiterhin effizient über eigene Apps oder Webseiten offeriert werden – parallel zu den Produkten der Plattform.
Das IRT bringt diese Architekturvorschläge in die seit Ende 2019 angelaufenen Planungsgespräche für eine offene europäische Medienplattform ein. In die Gespräche sind neben BR, Europäischer Rundfunkunion (EBU) und TU München weitere europäische Partner eingebunden.
Skizze einer möglichen Architektur:

Legende Plattformarchitektur :
A1: Metadatenschnittstellen zwischen der eigenen App des Inhalte-Anbieters und dessen Backend, über die die Inhalte präsentiert werden und Statistikinformationen übermittelt werden
A2/A3: Distribution der linearen und nichtlinearen Angebote des Inhalte-Anbieters an dessen eigene App und an die App des Plattformbetreibers
P1: Vertrag zwischen Anbieter und Plattformbetreiber, der alle technischen und kommerziellen Konditionen regelt, zu denen die Angebote den Endkunden über die Plattform angeboten werden
P2: Metadatenschnittstelle, über die die durch den Plattformbetreiber aggregierten Metadaten an die App des Plattformbetreibers geliefert werden und Statistikinformationen zurückgeliefert werden
P3/P4/P5: Schnittstellen zwischen Inhalte-Anbieter und Plattformbetreiber, über die Metadaten zugeliefert und Nutzungsdaten zurückgeliefert werden und Recommenderinformationen ausgetauscht werden
P6: Qualitätsmonitoring, über das der Plattformbetreiber die Qualität der von den Inhalte-Anbietern verbreiteten Streams überwacht
P7/P8: Schnittstellen für die Anbindung externer Dienstleister, die Metadaten liefern oder Empfehlungsdienste anbieten
P9: Vertrag mit dem Endkunden, der die Nutzung der vom Plattformanbieter gebündelten Angebote regelt